Montag, 28. Januar 2008
Ich war mit Steffi schon lange befreundet, als ihr Vater starb. Wir gingen seit der ersten Klasse auf eine Schule. Wir bespuckten gemeinsam die Jungs, wenn sie uns küssen wollten. Wir hielten sie solidarisch fern, indem wir uns mit anderen Mädchen zu einem Schutzwall um der Jungen Opfer aufbauten. Die Präferenzen der Jungs wechselten nämlich demokratisch. Wie nach einer Abstimmung überfielen sie gesammelt die Auserwählte. Ohne schlimmere Verletzungen gelangten wir zusammen in die neunte Klasse. Dann kam sie nicht zur Schule und unsere Klassenlehrerin auf mich zu und erzählte mir von dem Tod des größten und dicksten Mannes den ich bis dato je in real gesehen hatte. Ihr Vater starb im Bett seiner Geliebten. Und ich weiß es nicht mehr. Man sollte meinen, an solch bedeutsame Ereignisse könne man sich ewig erinnern, als müsste es immer wie gestern gewesen sein. Auf jeden Fall ist anzunehmen, dass unser Häufchen aus Freunden recht blass um die Nase war. Wir sprachen noch länger nach der Schule, vor allem über das so plötzliche Mitgefühl unserer Lehrerin. Und so verklemmt war sie. Und wo holt sie auf einmal diese pastorale Stimme her? Ich ging dann mit meiner Freundin zu mir nach Hause. Zu spät. Meine Mutter kochte jeden Mittag, war natürlich etwas, das ich damals nicht zu schätzen wusste, da es meine Freiheit extremst einschränkte. Beneidenswert die Kinder, deren Eltern beide berufstätig waren. Die nicht mit einem Essen zu Hause erwartet wurden und die nach der Schule noch Tischtennis spielen konnten. Das Tischtennis spielen ließ ich mir lange nicht nehmen. Genau so lange, bis meine Mutter mich eines Tages abholte. Wutentbrannt und ziemlich schreiend. Ich wunder mich noch heute, dass die blauen Flecken an den Armen, an denen sie mich nach Hause zerrte, nicht noch immer zu sehen sind. Diesen ihren Gesichtsausdruck sah ich auch an dem Tag in der Tür, als Steffi's Vater starb. Na klar, zu spät. Die Wohnungstür öffnete sich ohne mein Zutun und auf die eher und inzwischen rhetorische Frage, warum wir so spät seien, gab ich die neuesten Nachrichten. Ich kassierte eine Ohrfeige, dass es krachte, das ist kein Grund für eine Verspätung. Zehn Minuten später rannte sie wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung und weinte. Das kannte ich schon, das hat sie auch getan als mein Opa starb. Und das tat sie auch als meine Oma gestorben ist. Ich wohnte damals nicht mehr zu Hause, kam zu Besuch und sie sagte 'Oma ist tot'. Mehr reden war nicht, meine Mutter rannte und ich hoffte eine Stunde, dass es meine deutsche Oma war. Die war alt, hatte weder Bock, noch Auftrag mehr. Außerdem hing mein Herz so gar nicht an ihr. Ich weinte jedoch vorsorglich und nicht umsonst, natürlich war's aber die andere, meine liebe. Ihre Mutter, die eine solche Bereicherung für mein Leben war. Ein wirklich verrücktes Huhn. Es ist mir, als hätte ich keine Zeit zu trauern gehabt, bald darauf starb meine Mutter. Und ein anderer, ehemaliger Lehrer sprach so pastoral diesmal meinetwegen mit mir. Der war immerhin auch Religionslehrer. Und natürlich wünsche ich mir heute nichts mehr in meinem Leben, als dass meine Mutter noch einmal für mich kochen würde. War ja klar.

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Wie es mir geht?
Habe mir grad ein Buch gekauft. Das fühlt sich an wie eine Tapete und drauf ist eine Astravase. 'Die Beschisseneheit der Dinge' und ich bin mit offener Hose durch die Stadt gerannt. Alles wie immer, alles paletti.

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